Hast Du denn nicht manchmal doch Angst?

Ganz ehrlich, es sind die körperlich schlechten Tage, wo mir auch mal trübe Gedanken kommen. Mir wurde da bewusst, wie sehr Seele und Leib doch zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen. Auch der Glaube schwankt da mit, obwohl er ja eigentlich idealerweise zu jeder Zeit felsenfest und von irdischen Dingen unbeeinflusst sein sollte.
Aber eigentlich habe ich keine Angst. Nicht vor dem Tod. Eher vor einer Verschlimmerung der Krankheit, neuen Beschwerden und Krankenhaus. Aber eines nach dem anderen.

Angst vor dem Tod

Angst vor dem Sterben habe ich nicht. Das mag mit daran liegen, dass der Tod wieder etwas Abstand von mir genommen hat — mit mir geht es ja aufwärts. Ich hatte aber auch in der akuten Phase keine Angst vor ihm. Ich staune selber darüber. Dieses Vertrauen wurde mir geschenkt. Es kam nicht aus mir, meiner geknickten Seele im geschwächten Körper — konnte es ja auch nicht. Das Vertrauen war sozusagen übernatürlich, ein Geschenk Gottes.
Der Tod ist der Moment, wo ein Mensch nichts mehr selber tun kann. Nicht mal nach der Mama schreien, wie nach seiner Geburt. Nun ist man völlig ausgeliefert - doch wem oder was? Der Vernichtung, weil nach dem Tod alles aus ist? Dem großen Unbekannten, weil man nicht weiß, was kommt? Gott, vor dem man Angst hat, weil man ihn nicht kennt? Oder Gott, dem man vertraut, weil man ihn kennt?
Für mich gilt: ich bin in Jesu Hand. Ich weiß nicht, wie sich Sterben anfühlt und welche Phasen es da gibt, was danach kommt usw. Aber ich bin in seiner Hand, und nichts kann mich aus seiner Hand reißen. Ich gehöre zu ihm, genauer bin "in ihm" (wie es in der Bibel oft heißt). Das ist mein Schutzraum, so wie die Astronauten der ISS ihre Sojus-Landekapsel für Notfälle hätten. Ohne diesen Schutzraum kann keiner lebendig zur Erde zurückkommen, aber jeder der da drin ist, ist sicher.
So ist es auch mit Jesus. Wer in ihm ist, befindet sich in einem sicheren Gefährt, das ihn wohlbehütet ans Ziel bringt. Denn: Jesus ist gestorben. Er ist Gott, trotzdem weiß er genau, wie sich das anfühlt. Er starb mit den Worten: "Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist." Eben im Vertrauen, dass Gott ihn auch jetzt noch in den Händen hält, wo er sich selbst nicht mehr halten kann.
Gott hat Jesus vom Tod auferweckt. Er hat den Tod besiegt. Er ist schon "auf der anderen Seite". Und das gilt auch für mich, da ich ja in Jesus bin. Das ewige Leben ist mir sicher.
Leben ist bei Gott, und nur dort, denn er ist die Quelle allen Lebens, von ihm hängt alles ab. Jesus hat mit dem Tod auch alles durchbrochen, was mich von der Lebensquelle abschneidet - die Sünde. So muss ich nach meinem Tod keine Angst vor Gott haben, dass er mich aufgrund meiner Verfehlungen richtet und verdammt. Ich bin ja in Jesus. Er hat ein ungetrübtes Verhältnis zu Gott — also ich auch.
Es gibt Situationen, die scheinen dem zu widersprechen, z.B. Krebs. Bin ich wirklich von Gott geliebt, wenn Gott zulässt, dass ich sowas bekomme? Glaube heißt, an dem festzuhalten, was Gott versprochen hat. Meine Krankheit kann ich sehen und spüren, Gott nicht. Aber es kommt weniger auf die Dinge an, die wir sinnlich erfahren können, sondern auf Gott. Nicht auf das Irdische, sondern auf das Himmlische. Nicht auf das zeitlich Begrenzte, sondern auf das Ewige.

Angst vor Verschlimmerung der Krankheit

Etwas anders sieht es aus, wenn ich daran denke, dass sich mein Zustand ja auch wieder verschlimmern könnte. Als ich damals im Mai 07 ins Krankenhaus kam, sagte ich dem Arzt in der Notaufnahme: "Ich freue mich auf den Aufenthalt." Ich wollte endlich wissen, was mit mir los ist, und hoffte, dass mir geholfen werden könnte. Auch während der drei Wochen im Krankenhaus ließ ich die Flügel nicht hängen.
Nun aber denke ich mit einem gewissen Unbehagen an diese Zeit zurück. Nein, ins Krankenhaus will ich lieber nicht nochmal, so sehr ich das Bethanien-Krankenhaus empfehlen kann. Dabei weiß ich doch aus Erfahrung: Gott geht alle Wege mit. Er war letztes Jahr bei mir und half mir, den Klinikaufenthalt zu überstehen, ja sogar mich recht wohl dort zu fühlen. Er wird es auch ein zweites Mal tun. Oder traue ich ihm das plötzlich nicht mehr zu?
Es liegt wohl daran, dass es mir jetzt eben besser geht als damals im Mai. Ich habe mehr Gesundheit, und die will ich gerne behalten. Klar, wer möchte das nicht. Aber weil ich meinen Besitz unbedingt festhalten will, habe ich Angst. Ich will das Bekannte behalten und fürchte mich vor dem Unbekannten.
Pünktlich, während ich diesen Beitrag schreibe, erfahre ich, dass die Tumormarker wieder ein ganzes Stück gestiegen sind. Und schon meldet sich die Angst: wo führt das hin? Wird der Tumor wieder größer, bilden sich neue Metastasen? Was werden die Auswirkungen sein?
Ich merke, wie in letzter Zeit der Alltag zurückgekehrt war. Schon hatte ich mich daran gewöhnt, dass bei mir alle Tendenzen nach oben zeigen. Schon sah ich mich als halb geheilt an. Der neue Wert der Tumormarker ist erst einmal eine Zahl. Nur eine Zahl, denn die spiegelt sich in keiner Weise in meinem Befinden wieder! Dennoch kann sie mich beunruhigen, wenn ich zu viel darüber nachdenke.
Also verstehe ich die Botschaft so: es ist ein freundlicher Wink Gottes. Er erinnert mich, dass mein weiteres Ergehen allein in seiner Hand liegt. Auf ihn muss ich mein Vertrauen setzen, nicht auf die Chemotherapie. Die hat zwar viel gebracht, sie kann aber, wie man sieht, den Tumor nicht dauerhaft und völlig im Schach halten. Und von neuem stellt sich die Frage: vertraue ich auch dann noch auf Gott, wenn es wieder schlechter werden sollte? Kündige ich ihm dann plötzlich doch die Freundschaft? Ich sollte doch meine Lektion nun gelernt haben: es gibt nichts anderes, was trägt. Ich brauche ihn, so oder so, unbedingt. Und er steht zu mir, so oder so, unbedingt.
Auch die anderen Lektionen krame ich wieder hervor. Wie war das gleich nochmal mit der "Nie wieder"-Liste? Ich wollte doch eigentlich mehr für meine Kinder da sein. Und weniger mit meiner Frau streiten. Und dankbar sein auch für kleine Freuden und kleine Fortschritte.

Loslassen

Angst entsteht also, wenn ich etwas, jemanden oder mich unbedingt festhalten will. Ich habe Angst vor dem Tod, wenn ich mein Leben unbedingt behalten will. Angst vor Verschlimmerung der Krankheit, wenn ich unbedingt mein jetziges Maß an Gesundheit festhalten will. Um meine Aktien und Investmentfonds hätte ich derzeit auch große Angst, wenn ich welche besäße. Da ich keine habe, kann ich aber auch keine verlieren — eine Angst weniger. Um seine Kinder hat man Angst, wenn man sie nicht loslassen kann.
Oft aber kann man etwas Neues nur bekommen, wenn man vorher das Alte losgelassen hat. Das ist mit dem irdischen Leben so, hier ist es am augenfälligsten: das bessere, ewige Leben kann ich nur antreten, wenn ich mein irdisches aufgebe. Loslassen gilt aber auch beim Besitz: Der Geizige kann nichts hergeben, der Freigiebige erfährt, dass es Freude macht, anderen Gutes zu tun. Und erst recht loslassen muss man Kinder, je älter sie werden. Dann wird man die Kinder, die man verliert, als Freunde neu erhalten.

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