Wie lebt es sich eigentlich mit Krebs?

Man kann eigentlich nicht genug Fragen stellen. Manchmal kommen ja interessante Antworten heraus. Diese Seite ist das Ergebnis von so einer Frage: wie gestaltet sich eigentlich das tägliche Leben als Krebspatient?
Wichtig: so sieht es bei mir aus. Jeder Mensch ist anders gebaut, körperlich und seelisch. Andere haben eine andere Tumorsorte, kriegen eine härtere Chemo, vertragen die schlechter und haben wieder andere Nebenwirkungen.

Schwäche

Fast alle Krebspatienten leiden unter Schwäche und Müdigkeit, im Fachjargon "Fatigue" genannt (sprich: "Fatig"). Bei mir ist diese nicht so ausgeprägt, aber dennoch spürbar. Mein Bett ist jetzt jedenfalls besser ausgelastet als früher. Der Mittagsschlaf war einst kurz diente nur dazu, im Kopf wieder fit zu werden, jetzt genieße ich ihn etwas länger. Manchmal ruhe ich mich am Vormittag oder nach dem Abendessen nochmals aus, um dann besser durchzuhalten.
Ich fühle mich insgesamt gut, es geht langsam, aber stetig aufwärts. Die Kräfte kommen auch ganz allmählich wieder, das Gewicht auch. Dennoch sind mal "miese" Tage dazwischen, aber die gehen ja auch wieder vorbei. Insgesamt muss ich natürlich mit den Kräften haushalten und mir gut überlegen, was ich tue und was ich besser lasse. Und natürlich ist es auch nicht gut, wenn ich mich zu sehr schone — Frischluft tut gut!

Chemotherapie

Die Chemo vertrage ich relativ gut, nur 3-6 Stunden nach der Infusion geht es mir etwas schlechter, ich bin schlapp und habe keinen Appetit. Aber auch das geht wieder vorbei. Die anderen Nebenwirkungen halten sich in Grenzen. Der Haarausfall ist momentan kaum zu merken (solange ich noch mehr Haare auf dem Kopf habe als mein Arzt, will ich mich mal nicht beschweren).
Zur Chemotherapie bekomme ich einmal pro Woche eine Infusion. In der vierten Woche ist Pause. Oft werde ich gefragt, wie lange ich noch Chemo hätte. Ich sage dann: fragt nächstes Jahr nochmal nach. Die Infusion selbst dauert eine halbe Stunde, nach einer guten Stunde bin ich dann wieder daheim.
Zunächst merke ich wenig, aber nach etwa sechs Stunden kommt dann der "Durchhänger". Ich fühle mich irgendwie mies, habe so ein flaues Gefühl in der Magengegend und schon gar keinen Appetit. Am besten verabschiede ich mich dann ins Bett und verschlafe das Schlimmste. Weitere zwei Stunden später ist es wieder vorbei und ich kann wieder essen.

Kälte

Ich bin eine ziemliche Frostbeule geworden. Im Winter habe ich oft drei dicke Pullover übereinander an (in der Wohnung). Will ich längere Zeit raus und ist es um 0°, ziehe ich nochmals zwei Lagen drunter. Die Hände — von den Füßen ganz zu schweigen — sind meistens kalt. Simon will sie oft schon gar nicht mehr anfassen und schüttelt mir dann die Hand mit zwei Fingern, wenn wir uns vor den Mahlzeiten guten Appetit wünschen.
Darum bin ich dieses Jahr auch zum Hutträger geworden. Nur zum Autofahren setzte ich ihn ab. Nein, ich habe keine Vorurteile. Aber mitsamt Hut passe ich nun wirklich nicht mehr unters Dach unseres Kleinwagens.

Appetit

Die größten Appetitstörungen hatte ich vor meinem Krankenhausaufenthalt. Die Säfte der Galle und der Bauchspeicheldrüse konnten nicht mehr fließen, also hatte ich gegen alles eine Abneigung, wozu ich beides gebraucht hätte. Der Tumor drückte auf den Magen und sorgte dafür, dass sich relativ schnell ein Völlegefühl einstellte.
Das hat sich jetzt wesentlich gebessert. Ich esse wieder alles und auch normalgroße Portionen. Durch den Krebs selbst verändern sich aber auch Geschmack und Appetit. Die Chemotherapie verbessert daran nichts. Eine zeitlang mochte ich daher kein Brot essen. Irgendwie habe ich auch etwas gegen Erbsen. Beides hatte ich mal gerne und reichlich verdrückt. Jetzt mag ich am liebsten Speisen mit viel "Ditsche" (wie der Sachse zu seiner geliebten Soße sagt).

Schmerzen

Ich bekomme ein Schmerzmittel in einer relativ niedrigen Dosis. Ohne dieses hätte ich diffuse Rückenschmerzen, so aber spüre ich nichts.

Seelische Auswirkungen

Man liest, dass die meisten Krebspatienten mit Ängsten oder sogar Depressionen zu kämpfen haben. Ich kann — jedenfalls jetzt — dankbar feststellen, dass ich keine Angst oder Niedergeschlagenheit habe. Ich sorge mich nicht um meine Existenz, sondern ich glaube, dass Jesus mir ewiges Leben gegeben hat. Der Krebs kann mein Leben in dieser Welt beenden, aber mich als Person nicht auslöschen.
Ob er das darf, entscheidet Gott. Zu welchem Zeitpunkt ebenfalls. Ich finde eine große Gelassenheit in dem Wissen, dass ich keinen Tag eher sterbe als mein Gott das will. Und wenn es in unseren Augen auch zu früh ist, weil ich noch so jung war und Familie habe usw.: auch hierfür wird Gott sorgen. Wenn er die Seinen durch ein dunkles Tal führt, dann nicht ohne selbst mitzugehen:
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück,
denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

(Ps 23,4)
Dadurch ist meine Stimmung meistens gut. Ich freue mich eben mehr an kleinen Dingen, aber auch an denen kann man sich freuen, oder? Und: Optimismus war schon immer die beste Medizin …

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